Review: BlackBerry PRIV

  • 12 Minuten zum Lesen

BlackBerry bestreitet neue Wege mit seinem neuesten Smartphone: PRIV. Es handelt sich um einen Android Slider, den ich genauer unter die Lupe nehme.

Verpackung

 

Ein riesen Karton für ein 5,4 Zoll großes Gerät. In diesem findet man neben dem Gerät ein USB-Ladegerät und -Kabel, In-Ear-Kopfhörer, Printmedien (obwohl es sich um ein QWERTZ Gerät handelt sind die Texte außer für die Schnellstart-Anleitung nicht in deutscher Sprache ausgeführt) und ein Pin zum Öffnen des SIM- und SD-Karten Solts.

Auf dem Karton prangt in großen Lettern Privilege, Privacy und Powered by Android. Dazu später mehr.

Erster Eindruck

 

Endlich ein neuer Slider: großes Display mit herausfahrbarer Tastatur. Trotz der Größe (kleiner als ein iPhone 6 Plus) ist es nicht unangenehm und selbst wenn der Slider geöffnet ist, wird das Gerät nicht kopflastig. Das Gewicht ist gut tarriert.

Der Systemstart dauert etwas länger als bei vergleichbaren Geräten. In meinem Fall hat das Samsung Galaxy S6 32 Sekunden und das PRIV 52 Sekunden bis zur Bildschirmsperre benötigt.

Haptik / Verarbeitung

 

Das Gerät liegt gut in der Hand. Die Rückseite ist leicht gummiert und ist daher nicht rutschig. Das Display kann man nicht mit einer Hand voll bedienen. Als Rechtshänder komme ich nicht mit dem rechten Daumen in die obere linke Ecke.

 

Die Rückseite lässt sich unter der Kamera und entlang einem schmalen Streifen bis zum unteren Drittel leicht eindrücken. Die Rückseite knarzt leider auch ein wenig wenn man das Gerät seitlich packt.

Ein Slider hat nun mal mechanische Teile. Das BlackBerry 9800 und 9810 haben bewiesen, dass solche Einheiten sauber verarbeitet werden können. Dies trifft bei meinem und einigen anderen Geräten nicht zu. Wenn man das Smartphone per Touchdisplay bedient, klappert der Bildschirm. Ist der Slider geöffnet sitzt der Bildschirm fest in den Führungsschienen.

 

Die Hardware Tastatur lässt schnell und präzise schreiben. Darüber hinaus ist sie berührungsempfindlich und kann zur Navigation im Betriebssystem oder zur Übernahme von Wortvorschlägen genutzt werden. Da ich lange ein BlackBerry Passport genutzt habe, ist die Umstellung auf diese Tastatur etwas schwieriger. So sind diesmal wieder 4 statt 3 Reihen implementiert und die Tasten sind kleiner und haben eine komplett andere Haptik. Man merkt, dass die Tasten nur ein Overlay sind. Frauen mit langen / künstlichen Fingernägeln haben ein Problem die oberste Reihe zu bedienen, da hier wenig Platz vorhanden ist.

Software

 

Vorinstalliert ist Android in Version 5.1.1. BlackBerry hat einen Launcher und einige Anwendungen für das PRIV entwickelt. Grundtenor: Produktivität.

An sich ist die Grundidee durchdacht und es macht auch Spaß mit dem Gerät produktiv zu arbeiten. Aber es sind noch einige Kinderkrankheiten vorhanden.

BlackBerry ist bekannt für seinen zentralen Nachrichteneingang: BlackBerry Hub.

Hier hat man alle E-Mail-Konten, SMS, Facebook, Twitter und WhatsApp in einer App. Unten zeigt sich ein Button zum schnellen Erstellen einer Nachricht oder eines Posts. Dies klappt auch.

Aber Facebook, Twitter und WhatsApp werden nicht immer bei neuem Nachrichteneingang im Hub angezeigt. E-Mails hingegen laufen sauber. Die Performance hängt aber noch stark hinterher. Hier hoffe ich auf Updates, den große Postfächer bringen den Hub ordentlich zum Arbeiten.

Aber auch Benachrichtigungen über Google hat BlackBerry bearbeitet und es werden die passenden Icons oben im Benachrichtigungscenter von Android angezeigt und man kann die Ansicht auch durch drücken auf eines der Icons filtern.

Da Google mit an Bord ist und BlackBerry die Google Dienste braucht, musste man das ganze Paket an Google Diensten übernehmen. Daher hat man zum Beispiel zwei Apps für Notizen: Google und BlackBerry. Die BlackBerry Apps sind mit den im Hub hinterlegten Konten verbunden und arbeiten zuverlässig. Die Google Apps sind mit den Google Diensten und dem Google Konto verbunden. Neulinge können dies aber auf den ersten Blick eventuell nicht erkennen. Man kann sie aber deaktivieren, dazu mehr im nächsten Part.

Der BlackBerry Launcher ist die Oberfläche für Icons und Widgets. Durch eine Option kann man sich Widgets für manche Apps sparen: Popup-Widgets. Werden drei Punkte unter dem Icon angezeigt, streicht man von unten nach oben über das Icon und bekommt eine Vorschau angezeigt. Zieht man ein Icon an den oberen Bildschirmrand, kann man entweder das Icon entfernen oder direkt die App deinstallieren. So kann man auch Google Dienste und Apps, die man nicht benötigt oder nutzen möchte, loswerden. Es ist keine Deinstallation möglich, aber eine Deaktivierung.

Der Hub ist leider nicht auf der linken Homescreen-Seite hinterlegt wie zum Beispiel Flipboard. (Soll nach Informationen aber mal vorhanden gewesen sein). Man kann ihn aber durch eine Streichbewegung öffnen: über die mittlere Android Taste im unteren Bildschirmbereich streichen und nach rechts. Es gibt dort drei Verknüpfungen, die man selbst belegen kann.

Man kann sich auch über einen anpassbaren Button Zusatzinhalte anzeigen lassen: Durch eine Wischgeste vom Displayrand über den Button in die Displaymitte werden Daten aus dem Kalender, E-Mail-Konten, Aufgaben und Kontakte angezeigt. Bei den Kontakten werden die Favoriten angezeigt und mit diesen kann direkt interagiert werden, so spart man sich Verlinkungen auf dem Homescreen.

Das App Menü ist alphabetisch geordnet und zeigt auch durch seitliche Wischgesten Widgets und Verlinkungen an.

Die Verlinkungen sind ganz nett: So kann man schnell einen Kontakt hinzufügen oder den Akku Ladezustand überprüfen. Dies kann man auch auf die Tasten der Hardware Tastatur legen und das auf zwei unterschiedliche Weisen: Kurzes oder langes Drücken einer Taste.

In der Ansicht der geöffneten Programme kommt ein wenig BlackBerry OS10 Flair auf: Vorschaufenster der Apps mit einem Rahmen und einem X in der oberen rechten Ecke zum Schließen. Man kann auch alle Apps gleichzeitig über einen Button im oberen Bildschirmbereich schließen oder Apps einzeln zur Seite wischen und damit schließen. Die Größe und Position der Apps ist dabei dynamisch und richtet sich nach Anzahl und zuletzt verwendeter App.

Leider fehlen (noch?) eigene BlackBerry Anwendungen für Dateien oder Mediendateien, abgesehen von Google Foto.

Dafür sind weitere Interaktionen implementiert: hält man das Gerät in der Hand wird der Bildschirm nicht deaktiviert, dreht man das Gerät auf das Display wird Akku eingespart und zum Stummschalten kann man das Gerät einfach umdrehen.

Hardware

Als SoC ist ein Qualcomm Snapdragon 808 verbaut. Dieser arbeitet mit seinen 6 Kernen zuverlässig. Das Gerät hat 32GB internen Speicher, SD-Karten Slot, 3GB RAM, 18MP Hauptkamera und 2MP Frontkamera.

 

Auch eine Benachrichtigungs-LED ist auf der Vorderseite verbaut und kann für jede App angepasst werden.

 

Am unteren Ende ist ein nach vorne gerichteter Lautsprecher. Klar, laut (obwohl Mono), verzerrt erst bei maximaler Lautstärke. Desweiteren befindet sich ein USB- und Kopfhöreranschluss an der Geräteunterseite.

 

An der Oberseite befinden sich die Slots für SIM und SD-Karte.

Kamera

 

Zunächst hört es sich ja gut an: 18MP Schneider-Kreuznach mit optischem Bildstabilisator und 4K Videoaufnahmen.

 

Die Kamera-App braucht aber noch definitiv Feinarbeit. So ist der Autofokus manchmal einen Tick zu langsam oder fokussiert nochmal neu. Auch die Speichergeschwindigkeit ist manchmal langsam, egal ob interer Speicher oder SD-Karte. In manchen Fällen brach die Performance ein: Man hört entweder zweimal den Auslöserton oder einmal verzerrt und erst danach wird das Foto gespeichert.

Tagsüber sind die Fotos gut. Wenn es dunkel wird ist es vorbei: Die Kamera hat eine 2.2f Blende und der Fokus braucht lange. Wenn dann auch noch die Performance einbricht, hat man ein verschwommenes Bild.

Vergleich Auto-Modus Samsung Galaxy S6 und BlackBerry PRIV:

Die Frontkamera reicht für Selfies, im Hellen. Hat 2MP, ob dies ausreicht kann und will ich nicht beurteilen, bin kein Selfie-Mensch.

Bildschirm

Der Bildschirm hat eine sehr hohe Pixeldichte von 540ppi. Das Display ist sehr scharf und Blickwinkel neutral. In direkter Sonneneinstrahlung ist es schwer die Inhalte zu erkennen.

Was mit gefällt ist Dopple-Tap-to-wake-up: Ist der Bildschirm deaktiviert, braucht man nur zweimal mit einem Finger drauftippen und der Bildschirm wird aktiviert.

Der linke und rechte Bildschirmrand sind gebogen. Zum Bedienen ist es angenehm, doch BlackBerry steuert die Ränder nicht gesondert an und sie sind Teil des gesamten Bildschirminhaltes.

Aber es fällt auch durch einen hohen Stromverbrauch auf: 20 Stunden Akkulaufzeit mit 3 Stunden 40 Minuten Screen-on-time 29% des Energiebedarfs. Das haben andere Hersteller besser gelöst.

 

Akku

Mehrere Social Media, Nachrichten und E-Mail Konten sind auf meinem Konto eingerichtet, alle mit Push. Der Akku hält auch mit einer Secure Connect Plus (VPN) Verbindung locker einen Tag. Nachts in 8 Stunden hat das Gerät 1% Akku verbraucht.

Mit dem mitgeliefertem Ladegerät (ist identisch mit dem Ladegerät des Passports) lädt der Akku von 5% auf 100% in 2 Stunden 20 Minuten. Das 2A Ladegerät vom PlayBook kann aber auch genutzt werden und verringert die Ladezeit.

Jedes von Qualcomm zertifizierte Schnell-Ladegerät verringert die Ladezeit knapp um 50%. So kann man zum Beispiel auch das Ladegerät vom Samsung Galaxy S6 nehmen.

BlackBerry legt aber kein solches Ladegerät in den Karton, auch Wireless Charging über Qi und PMA Standard ist nur für US-Kunden erhältlich.

Der Akku ist fest verbaut. Mich persönlich stört es nicht. Er hat 3410mAh Kapazität und reicht aus. Zur Not wird ein Powerpack oder ein Ladegerät eingepackt. Defekte hatte ich bisher auch nur einmal bei einem BlackBerry Z10. Die Kapazität auf Langzeit kann ich aber nicht abschätzen.

Performance

Einige Nutzer haben sich gewundert, warum nicht der SoC Snapdragon 810 verbaut wurde. Meiner Meinung nach ist der 808 ausreichend. Die Performance passt im Betrieb trotz deutlicher Wärmeentwicklung, außer in manchen Anwendungen wie zum Beispiel der Kamera. Es ist aber schwer hier Android, Apps oder Hardware verantwortlich zu machen. An den Apps muss definitiv noch gearbeitet werden.

Sicherheit

Auf dem Karton steht wie oben geschrieben: Privacy.

BlackBerry hat die App DTEK aus dem eigenen Haus vorinstalliert. Diese informiert Nutzer über Anwendungen, die auf persönliche Informationen zugreifen wollen. Das war es leider schon.

Manch anderer Hersteller schafft es Android 5 so anzupassen, dass man den Anwendungen ohne Root die Berechtigungen zu entziehen. Das hatte ich auch von BlackBerry erwartet. So kommt diese Option wohl erst im Frühjahr 2016 mit Android 6. Aber auch dann müssen die App-Entwickler ihre Anwendungen an Android API Level 23 anpassen, damit der Nutzer die Berechtigungen bearbeiten kann.

In den Einstellungen kann man noch Smartlock aktivieren: Trägt man das Gerät bei sich oder befindet man sich in einer vorher definierten Geo-Lokalisierung wird das Gerät nicht gesperrt. Auch Bluetooth Geräte kann man als Zugangs-Token definieren.

Desweiteren sind die Google Dienste wie oben erwähnt implementiert. BlackBerry hat wie jeder andere Hersteller Vorgaben, an die sie sich halten müssen: Wenn, dann nehmt ihr gefälligst alle Dienste und schreibt beim Bootvorgang “powered by Android”. Trotzdem hat dieser Punkt nichts mit Privacy zu tun. Ein Unbedarfter Nutzer ist in diesen Punkten nicht sensibilisiert. An sich haben die Dienste ja einen Mehrwert und verlocken einen durch einfache Anwendung zur Nutzung, aber von Privacy möchte ich hier nicht sprechen. Im Endeffekt ist aber der Nutzer selbst für seine Daten verantwortlich.

BlackBerry steuert aber mit monatlich geplanten Updates dagegen, Hotfixes sollen direkt auf die Geräte gepusht werden. Den ersten Termin hatten sie schon eingehalten, hoffentlich bleibt es so.

BlackBerry hat aber Google einen gehärteten Kernel spendiert. Sehr schön, aber auch dieser ist wie das Betriebssystem nicht aus dem eigenen Haus!

Hardwareseitig wurden mehrere Sicherheitsstufen implementiert. Daher dauert auch wohl der Systemstart etwas länger.

Der Gerätespeicher ist von Werk aus schon voll verschlüsselt.

MDM / AfW

 

BlackBerry fociert Android for Work (AfW) mit dem PRIV. Klar, spart man sich doch so Lizenzkosten für Secure Work Space und Samsung KNOX. Man kann das PRIV aber trotzdem mit SWS oder nur als MDM-C an einem BES12 betreiben.

Doch durch AfW hat man in der Ansicht keinerlei strikte Trennung zwischen persönlichen und beruflichen Daten. Die Speicherbereiche und die Zugriffe sind aber dafür getrennt.

Für AfW muss der Gerätespeicher voll verschlüsselt sein. Dies ist beim PRIV schon der Fall und der Schritt wird innerhalb einer Sekunde bei einer MDM-Aktivierung abgeschlossen.

Auch hier passt die Performance.

Fazit

Privileg und Privacy …. noch nicht.

Privileg erst, wenn die Fertigung verbessert wird. Die Qualität, die ja Premium sein soll, meines Gerätes rechtfertigt nicht den im Einzelhandel aufgerufenen Preis von 779€. Ich hoffe, dass die nachfolgenden Chargen besser sind.

Auch das beigepackte Standard-Ladegerät und das gestrichene Wireless Charging passen nicht zu dem erwünschten Erscheinungsbild. Auch eine Ledertasche, wie bei den alten BlackBerry Geräten gehört leider nicht zum Lieferumfang dazu.

Privacy kommt im ersten Quartal 2016 hoffentlich mit Android 6. BlackBerry hat gezeigt, dass sie gute Ideen haben. Jetzt müssen diese nur richtig umgesetzt und erweitert werden. Zumindest sieht es mit den geplanten monatlichen Updates gut aus.
Was bleibt ist AfW: Selbst die Nutzersteuerung läuft über die Google Services. Es ist zwar in das Betriebssystem eingebettet und verbraucht weniger Energie als ein Container, aber so?

An sich ist es aber ein solides Gerät. Für mich haben die BlackBerry Anpassungen einen klaren Mehrwert und ich arbeite mit dem Gerät lieber als mit einem Samsung Galaxy S6.

Potential ist vorhanden!

Forumsdiskussion

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. FS

    Da scheinen die Geräte wirklich zu differieren. Ich habe jetzt ein zweites PRIV, und da sitzt das Display auch im geschlossenen Zustand so, das beim Tippen nichts klappert.

    Beim Ersten hat es leicht geklickt. Hatte ich es im Case beim Tippen, war das Geräusch kaum hörbar.

  2. Jacqueline Meurer

    Hallo, wie ist das Gerät verpackt? Versiegelt? Verschweist? Danke

Schreibe einen Kommentar